Ausweitung des Bildungs- und Therapieangebots
Renovabis hat den Aufbau des Kinderdorfs in Gomel von Beginn an begleitet: Das gesamte Dorf wurde in mehreren Etappen errichtet. Inzwischen haben 72 Kinder und junge Erwachsene dort in familienähnlichen Gruppen eine Heimat gefunden. Am 10. September 2021 wurde nun auch das „Integrative Bildungs- und Therapiezentrum“ eingeweiht. Mit dem neuen Zentrum wird das Bildungs- und Therapieangebot im bestehenden Kinderdorf erheblich ausgeweitet und nicht nur die Bewohnerinnen und Bewohner des Dorfs, sondern auch Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Behinderungen aus der Region erhalten Zugang zu pädagogischen und therapeutischen Angeboten durch qualifiziertes Personal.
Die Schule umfasst fünf Klassen für 7 bis 9 Kinder mit schweren mehrfachen Behinderungen, davon eine Vorschulklasse. Daneben werden fünf Beschäftigungsgruppen für Erwachsene mit mehrfachen Behinderungen eingerichtet. Sie haben die Möglichkeit, in einer Holzwerkstatt und einer Näherei zu arbeiten und Alltagsfähigkeiten zu erlernen. Das „Selbständigkeitstraining“ wird, integriert in den Tagesablauf, in den verschiedenen Bereichen des Zentrums bzw. des Dorfs durchgeführt (Küche, Garten, usw.). Jeweils vormittags und nachmittags gibt es vier Unterrichtseinheiten bzw. Gruppenbeschäftigungen, Mittagessen gibt es entweder in den Wohngruppen oder im Speisesaal des Wirtschaftsgebäudes. So können die Menschen ihre körperlichen und geistigen Fähigkeiten weiterentwickeln. Das Therapiezentrum bietet außerdem Schulungen und Aktivitäten für Eltern und Angehörige an sowie Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für die Angestellten und Helfer des Kinderdorfs und anderer Einrichtungen.
Impressionen
Das Projekt leistet damit einen Beitrag zur Umsetzung der UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Belarus, insbesondere für das Recht auf Bildung (Art. 24), das Recht auf Arbeit und Beschäftigung (Art. 27), die Rechte auf Rehabilitation und Gesundheitssorge (Art. 25 und Art. 26) und das Recht auf Teilhabe an der Gesellschaft (Art. 29).
Das Kinderdorf in Gomel dient als Vorbild und Ermutigung für private Initiativen und staatliche Einrichtungen und leistet einen wichtigen Beitrag dazu, Menschen mit Behinderungen zu integrieren. Die Präsenz der katholischen Kirche in Gomel und die Förderung durch Renovabis ist auch ein Zeichen der Solidarität mit den Menschen in Belarus, die von den Folgen der Tschernobyl-Katastrophe betroffen wurden.
Grußwort von Erzbischof Dr. Heiner Koch
Liebe Kinder und Jugendliche, liebe Freunde,
als Renovabis-Bischof grüße ich euch ganz herzlich aus Berlin. Das Osteuropa-Hilfswerk Renovabis hat den Bau des Kinderdorfs in Gomel von Anfang an begleitet. Wir sind froh und dankbar, dass nun auch das Bildungs- und Therapiezentrum eröffnet werden kann.
Jeder Mensch auf dieser Erde ist ganz einmalig in seiner Geschichte, in seinem Körper, in seinem Geist, in den Menschen, mit denen er zusammenlebt, im Glück, das ihm wiederfährt, in den Chancen, die ihm gegeben wurden, in seinem Leid und in seiner Krankheit. Jeder Mensch ist groß, denn jeder Mensch ist einmalig. Diese Einmaligkeit macht seine Würde aus: Du bist einmalig begabt. Du bist aber auch einmalig beauftragt. Kein Mensch hatte vor Dir die Aufgaben, die sich in Deinem Leben Dir stellen. Mag sein, dass andere Menschen sich ähnlichen Herausforderungen ausgesetzt sehen, aber es waren höchstens ähnliche. Nur Du, Mensch, kannst sie mit Deinen Möglichkeiten und Fähigkeiten auf Deine Weise meistern. Das macht Deine Größe aus. Du bist einmalig beauftragt.
Als Christen glauben wir, dass diese Größe des Menschen in seiner Begabung und in seiner Beauftragung gründet, in der Begnadigung durch Gott: Gottes Gnade lässt Dich leben. Gottes Gnade stärkt Dich. Gottes Gnade hält Dich in Deinem ganzen Leben, in guten und in schlechten Tagen: Du bist und bleibst deshalb einmalig und groß, immer und ewig. Wir alle brauchen Hilfe von anderen Menschen, um unsere Talente entfalten zu können – von Eltern, von Erziehern, von Lehrerinnen. Dafür soll das neue Bildungs- und Therapiezentrum da sein. An diesem Ort sollt ihr gemeinsam lernen und arbeiten und eure Fähigkeiten weiterentwickeln, aber ihr sollt auch Spaß haben und zusammen Feste feiern. Wie ihr hier in Gomel lebt und lernt, soll auf euer ganzes Land ausstrahlen, bis Minsk und Brest und Vitebsk.
Dafür wünsche ich euch im Namen von Renovabis und von allen deutschen Diözesen, die sich an diesem Projekt beteiligt haben, alles Gute und Gottes Segen!
Grußworte von Renovabis und der Caritas Österreich
Burkhard Haneke, Renovabis
Seit fast 20 Jahren darf ich das Projekt in Gomel für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen inzwischen begleiten. Es ist eines der größten und – wie ich finde – auch wichtigsten humanitären Projekte, die wir in Belarus fördern konnten. Und es ist absolut beeindruckend, hier vor Ort zu sehen, wie gut sich das Kinderdorf in Gomel entwickelt hat. Mit dem jetzt eingeweihten Therapie- und Bildungszentrum wurden zusätzliche Chancen geschaffen, den betreuten Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen mehr Möglichkeit der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu eröffnen.
Besonders hervorheben möchte ich noch die beispielhafte Kooperation zwischen der Caritas Gomel und den örtlichen Behörden, durch die dieses bedeutende Projekt möglich. Es ist wirklich ein großes Geschenk für die Kinder und Jugendlichen, die hier heute leben und gefördert werden. Liebe Kinder und Jugendliche, wir freuen uns mit euch und für euch über das neue Zentrum und wünschen euch alles Gute!
Und den Verantwortlichen und Mitarbeitenden im Kinderdorf Gomel wünsche ich im Namen von Renovabis viel Kraft, viel Zuversicht und viel Durchhaltevermögen für ihre tägliche Arbeit – und natürlich vor allem Gottes Segen!
Sigried Spindlbeck, Caritas Österreich
Wir sind heute alle hier versammelt, um dieses Zentrum zu eröffnen. Dafür haben wir eine Menge gearbeitet, und dafür danke ich allen, die mitgeholfen haben. Besonders herzlich bedanken möchte ich mich bei meinen Kolleginnen von der Caritas Gomel, die es geschafft haben, das erste und einzige Bauprojekt der Caritas in Mittel und Osteuropa, das ich kenne, zeitgerecht und billiger als geplant, zu errichten. Dafür auch danke an Helmut!
Heute können wir feiern, doch ab morgen beginnt die wirkliche Arbeit. Wir haben das Zentrum ja nicht errichtet, damit wir ein schönes Zentrum haben. Wir haben das Zentrum errichtet, damit Kinder und junge Erwachsene zur Schule gehen und einen Beruf lernen können. Das wichtigste Ziel ist, alle Kinder und Jugendlichen dabei zu unterstützen, ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu führen. Das ist ein wichtiger Schritt zu Inklusion von Menschen mit Behinderungen in die Gesellschaft. Und das möchten wir erreichen. Inklusion kann man nicht verordnen, Inklusion muss man leben. Inklusion ist ein dauerhafter Prozess, der auch Anstrengungen und Mühe von allen Beteiligten erfordert. Inklusion heißt, dass man sich gegenseitig respektiert, sein Gegenüber so annimmt, wie es ist und dem anderen zuhört. Inklusion fällt nicht vom Himmel - lassen sie uns also gemeinsam morgen hier damit beginnen!