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Quelle: Achim Pohl
Eine Reportage von Peter Beyer
Böhmisches Bier und Bratwurst, deutscher Kaffee und Kuchen: Das Grenzbuchenfest bringt jeden August Deutsche und Tschechen an einen Tisch. Und in die Kirche: In der barocken Mariä Himmelfahrtkirche von Cínovec wird ein ökumenischer Gottesdienst im Zeichen der Versöhnung gefeiert.
Etwa fünfzig Gläubige sind im Corona-Jahr 2021 gekommen. Überwiegend ältere Deutsche, dazu jüngere tschechische Paare mit Nachwuchs. Pfarrer Philipp Irmer, sein Vikar Christopher Cantzen, Pfarrer Gerald Kluge und der evangelische Pfarrer Markus Schuffenhauer feiern den Gottesdienst zusammen. Der aus dem Bistum Münster stammende Irmer betreut seit 2004 die ehemalige Jesuitenkirche Maria Schein im nahegelegenen Krupka sowie den Wallfahrtsort Mariánské Radčice. Ihm assistiert Jiří Breu, als Ständiger Diakon seit Jahrzehnten in dieser Region seelsorgerisch tätig. Sie wirken im christlichen Niemandsland: Die Vertreibung der überwiegend katholischen deutschen Bevölkerung nach dem Krieg und die anschließende Unterdrückung des Glaubens durch den kommunistischen Staat brachten das zuvor blühende kirchliche Leben in der Region zum Erliegen.
„Als Philipp hier anfing, war die Kirchengemeinde heruntergewirtschaftet“, berichtet der 61-jährige Breu am nächsten Tag. Gerade hat er zu Mariä Himmelfahrt in der Wallfahrtskirche von Bohosuov, einem Ortsteil seiner Heimatstadt Krupka, seinem Pfarrer erneut assistiert. Wie jeden Sonntag nach dem Gottesdienst haben er und seine Frau Irene im Pfarrhaus zum geselligen Austausch bei Kaffee und Keksen eingeladen. Es geht lebhaft zu, denn Karel Resl und seine Frau Iva sind mit ihren drei kleinen Kindern gekommen. Karel, Jahrgang 1981, arbeitet als Busfahrer im 65 Kilometer entfernten Dresden. „Mein Weg zu Gott war nicht geradlinig“, sagt Karel. „Es war meine Frau, die mich zum aktiven Glauben gebracht hat“, fügt er hinzu und schaut liebevoll zu Iva hinüber, die gerade mit Töchterchen Anežka beschäftigt ist. Demnächst zieht die Familie in Karels lange Zeit leerstehendes Elternhaus in Krupka. „Dann kommt neues Leben hinein“, freut sich Karel – zumal seine Iva erneut schwanger ist.
Über die Umzugspläne und den Nachwuchs von Karel und Iva freuen sich auch Diakon Jiří Breu und seine Frau, bedeutet es doch neue Impulse fürs Gemeindeleben. „Nach wie vor haben hier viele Menschen keinen Bezug zur Region“, erzählt Jiří Breu und streicht sich wehmütig durch den schneeweißen Rauschebart. Tatsächlich bestand die Nachkriegsgesellschaft im tschechischen Grenzland zu über zwei Dritteln aus Bewohnern entfernter Teile der Tschechoslowakei.
Breu und seine gleichaltrige Frau blicken auf 41 Jahre Ehe zurück, hatten sich in einem örtlichen Gesprächskreis der Kirche kennengelernt. Stolz macht Jiří Breu, dass sich seit Pfarrer Irmers Ankunft in Böhmen vor 18 Jahren wieder viel tut. Waren beispielsweise Wallfahrtskirche und Pfarrhaus in Mariánské Radčice in den 1990er Jahren verfallen, wird nun fleißig restauriert. Mittlerweile ist hier sogar eine internationale Begegnungsstätte entstanden, die junge Menschen aus aller Welt in die vom Tourismus nicht gerade verwöhnte Region lockt. „Hier wird wieder gebaut, dieser Ort ist nicht verloren!“, begeistert Breu sich beim Besuch der Wallfahrtsstätte und fügt hinzu: „Auch der Bürgermeister unterstützt die katholische Gemeinde und ihre Aktivitäten!“
Quelle: Achim Pohl
Quelle: Achim Pohl
Das ist nicht selbstverständlich. Nach Jahrzehnten kommunistischer Herrschaft stehen auch dreißig Jahre nach der politischen Wende viele Tschechen Kirche und Glauben ablehnend gegenüber. Umso mehr bemühen sich Jiří und Irene Breu, gemeinsam mit Pfarrer Irmer Berührungspunkte und Gesprächsangebote zu schaffen. Dafür organisieren sie Feste auf dem Kirchengelände. „Viele Besucher stellen dann Fragen“, berichtet Breu. „Glaube muss Anziehungskraft haben, man muss Vorbild sein, nicht nur durch Worte, sondern vor allem auch durch Taten andere überzeugen“, setzt der Seelsorger, einmal in Fahrt gekommen, hinzu. Für Glauben zu werben, wo kaum jemand glaubt, sei durchaus ein Balanceakt. „Man darf nicht fanatisch werden. Manchmal reicht einfach nur zuhören!“ Tatsächlich verlief die Weitergabe des Glaubens in Jiřís und Irenes eigener Familie ohne Belehrung und Druck. Die Eltern nahmen ihren Dominik als Knirps gelegentlich mit in die Kirche. Und siehe da: Der Junge schaute hin, hörte zu, stellte Fragen, freundete sich mit Pfarrer Irmer an – ist heute sogar dessen Patensohn – und drängte bald darauf, endlich Ministrant werden zu können.
Mit Sohn Dominik als erfolgreichem Beispiel vor Augen geben Jiří und Irene Breu die Hoffnung auf Wiederaufbau ihrer Gemeinde nicht auf. Für das nächste Jahr, nach dem Ende der Coronabeschränkungen, hoffen die beiden auf mehr Zuspruch beim Grenzbuchenfest und bei anderen Aktivitäten der Kirche.
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