FREISING. Alle sechs Monate wechselt turnusgemäß der Ratsvorsitz in der Europäischen Union – ein Vorgang, der in der Regel ohne große Diskussionen passiert. Doch im Fall von Ungarn, das am 1. Juli 2024 den Vorsitz übernimmt, war es anders: Eine Mehrheit im Europäischen Parlament forderte 2023 sogar, dem Land die Präsidentschaft nicht zu überlassen - ein klares Zeichen, wie isoliert Ungarn innerhalb der EU ist. Die Redaktion der Zeitschrift „OST-WEST. Europäische Perspektiven“ widmet sich deshalb in der aktuellen Ausgabe Ungarn und beleuchtet unter anderem die Stellung des Landes in Europa.
Das „Störfeuer“ könnte für sechs Monate zunehmen, befürchtet die in Budapest lehrende Politikwissenschaftlerin Ellen Bos in ihrer Analyse „Ungarn vor der EU-Ratspräsidentschaft“. In Brüssel seien die Zweifel groß, ob Ungarn während der Präsidentschaft europäische Positionen überhaupt angemessen vertreten könne. Der Journalist Stephan Ozsváth analysiert in seinem Text „Götterdämmerung in Budapest?“ die Rolle des Oppositionspolitikers Péter Magyar und die Wirkung der Demonstrationen gegen die Orbán-Regierung.
Als „nationalistischen Gambler“ beschreibt der Journalist Ivo Mijnssen den Ministerpräsidenten in einem Porträt, das die Entwicklung Orbáns vom „jungen Liberalen“ über den „verbitternden Kämpfer“ zum „pokernden Partner“ nachzeichnet. Den von der EU-Position abweichenden Kurs im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine analysiert Kai-Olaf Lang von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Dahinter steckten handfeste wirtschaftliche Interessen, aber auch das Bestreben, sich seine Partner weltweit selbst auszuwählen. Am Beispiel der Slowakei macht ein Interview mit dem slowakischen Schriftsteller Michal Hvorecky deutlich, wie über die ungarischen Minderheiten in den angrenzenden Staaten Einfluss ausgeübt wird.
Ungarns Hauptstadt Budapest gilt vielen als das Paris des Ostens: Die Jugendstil-Bauwerke, die blaue Donau, die Pracht der Vergangenheit machten Budapest zu einer der schönsten Städte in Europa, schreibt der ungarische Journalist Márton Gergely in seinem Beitrag – und betont vor allem die besondere Stellung als „liberale Metropole“. Weitere Artikel im Heft widmen sich der Kultur- und Medienpolitik, dem Selbstverständnis Ungarns als „christlicher Staat“ – und einem kulturellen Erbe der besonderen Art: Den Huzulenpferden, den vom Aussterben bedrohten „Ponys der Karpaten“.
Den Artikel „Die liberale Metropole Budapest" von Márton Gergely können Sie hier im Volltext lesen.