Interview mit Renovabis-Hauptgeschäftsführer Pfarrer Thomas Schwartz zum Gedenktag - Interview: Hilde Regeniter, Domradio.de
Interview mit Renovabis-Hauptgeschäftsführer Pfarrer Thomas Schwartz zum Sinti und Roma-Gedenktag (MP3, 6 MB)
Interview mit Renovabis-Hauptgeschäftsführer Pfarrer Thomas Schwartz zum Sinti und Roma-Gedenktag
Livestream der Gedenkveranstaltung: https://www.roma-sinti-holocaust-memorial-day.eu/
FREISING. „Die Ermordung von Hunderttausenden Sinti und Roma in Auschwitz verpflichtet uns, auch heute entschieden gegen Antiziganismus einzutreten“, appelliert der Hauptgeschäftsführer von Renovabis Thomas Schwartz aus Anlass des europäischen Holocaust-Gedenktages für Sinti und Roma. An dem diesjährigen Gedenken am 2. August in der Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau wird auf Einladung des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma auch Renovabis teilnehmen. Allein in der Nacht zum 2. August 1944 an diesem Freitag vor 80 Jahren waren 4.300 Roma in Auschwitz umgebracht worden. In ganz Europa sind von den Nazis während ihrer Schreckensherrschaft eine halbe Million Roma ermordet worden. „Diese schändliche, menschenverachtende und als Genozid geplante Vernichtung müssen wir uns immer wieder bewusst machen, weil der Antiziganismus in Deutschland und im Osten Europas keineswegs überwunden ist und sich bis heute auf die gesellschaftliche und soziale Situation der Minderheit negativ auswirkt“, so Schwartz.
Bei Renovabis waren insbesondere in Rumänien, der Slowakei, Ungarn, Bulgarien und Tschechien Hilfsprojekte zugunsten von Angehörigen der Roma-Minderheit stets präsent. Schwartz sieht die Roma als „Hauptverlierer der osteuropäischen Transformationsprozesse nach dem Ende des Kommunismus.“ Ihre Situation habe sich nach 1990 für viele verschlechtert. „Wir dürfen nicht wegschauen, wenn in Europa Menschen in sozialer Not und in Gettos leben müssen“, mahnt Pfarrer Schwartz und lädt zu einem Perspektivwechsel durch einen Blick auf die Ursachen und die Rolle der Mehrheit ein: „Was sagt das über die Gesellschaften aus, dass sie nicht genug gegen die Ausgrenzung der Roma-Minderheit und gegen die menschenunwürdigen Lebensbedingungen tun.“
Für Schwartz ist eine dauerhafte Verbesserung der Situation der Roma in Mittel-, Ost- und Südosteuropa nur durch die Politik in den Ländern und die Überwindung von antiziganistischen Haltungen und Vorurteilen möglich. Grundlage dafür sei die Erkenntnis, dass die Roma-Minderheiten gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger des eigenen Landes seien. Viele der von Renovabis geförderten Projekte unterstützen junge Menschen auf ihrem Bildungsweg und beim Übergang in den Beruf, als wichtige Schlüssel für gesellschaftliche Teilhabe und als Ausweg aus einem Teufelskreis sozialer Not. Darüber hinaus sind das Lernen über Geschichte und Kultur der Roma, Bewusstseinsbildung und der Abbau von gegenseitigen Vorurteilen wichtige Ziele. „Uns ist dabei für die Projektförderung wichtig, dass jede paternalistische Haltung überwunden wird und die Projektvorhaben ‚mit‘ und nicht ,für‘ die Roma-Minderheit durchgeführt werden“, erläutert der Renovabis-Chef. „Auch in den Kirchen ist dies noch ein Lernprozess. Aber durch die zunehmende Beteiligung von Romnja und Roma an Planungen kann die Situation dauerhaft verbessert werden.“
Renovabis begrüßt in diesem Zusammenhang die Initiative der Deutschen Bischofskonferenz und des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma zur historischen Aufarbeitung der Rolle der katholischen Kirche in der NS-Zeit. Ein wesentlicher weiterer Schritt müsste nach Schwartz auch die ehrliche Auseinandersetzung mit dem Antiziganismus in den Kirchen in der Nachkriegszeit sein.