FREISING. Die Lage im Südkaukasus habe sich keineswegs beruhigt, macht der Leiter des Osteuropa-Hilfswerks Renovabis, Professor Thomas Schwartz, aus Anlass des Völkermord-Gedenkens am 24. April aufmerksam. Der Gedenktag erinnert an den systematischen Genozid an der christlichen Bevölkerung durch das Osmanische Reich, der im Jahr 1915 an diesem Tag begann und bis 1916 wohl rund eine Million Opfer gefordert hat. Schwartz macht sich große Sorgen angesichts der aktuellen Lage im Südkaukasus und warnt vor weiteren kriegerischen Auseinandersetzungen zu Lasten des armenischen Volkes: „Die Gefahr eines völkerrechtswidrigen Angriffskriegs und einer neuen aserbaidschanischen Offensive halte ich für gegeben.“ Professor Schwartz stellt klar: „Es darf jetzt keinen ‚Genozid auf Raten‘ geben.“
„Angesichts des vielfachen Leids der Armenier in Geschichte und Gegenwart muss die Weltgemeinschaft aufpassen, dass Armenien nicht auf Dauer zu einer Opfernation wird. Die Menschen dort müssen ihren berechtigten Platz in der friedlichen Völkerfamilie finden“, so der Hauptgeschäftsführer des Hilfswerks Renovabis. Die Bevölkerung Armeniens dürfe keine Sorge um die territoriale Integrität ihrer Heimat oder gar Angst um ihre Existenz haben müssen.
In diesem Jahr werde das Gedenken in Jerewan, Gjumri und vielen anderen Städten wohl ganz besonders geprägt sein, sagt Pfarrer Thomas Schwartz: „Rund 100.000 Armenierinnen und Armenier sind zu Opfern geworden, als sie 2023 ihre Heimat Bergkarabach verlassen mussten. Seither werden, wie aktuelle Berichte und Luftaufnahmen dokumentieren, dort entgegen anderslautenden Versicherungen aserbaidschanischer Stellen armenische Kulturdenkmäler und Kirchen zerstört und vernichtet.“ Nach Schwartz verliere die Menschheit damit unwiederbringlich bedeutende und einmalige Kulturdenkmäler.
„In der jetzigen Situation muss die Europäische Union dringend alle ihre Möglichkeiten nutzen, um endlich wirksamen und dauerhaften Schutz für die Armenier und ihr kulturelles Erbe zu schaffen und Aserbaidschan klare Grenzen aufzuzeigen“, appelliert Schwartz an die Verantwortlichen in Brüssel und in den nationalen Hauptstädten. Hierzu gehöre der Ausbau der zivilen EU-Beobachtermission EUMA sowie unmissverständliche Sanktionsandrohungen gegenüber Aserbaidschan für den Fall, dass Baku nicht aktiv und glaubhaft an einer Deeskalation und Stabilisierung im Verhältnis zu Armenien beitrage.