Professor Thomas Schwartz, Hauptgeschäftsführer von Renovabis
Professor Thomas Schwartz, Hauptgeschäftsführer von Renovabis
Quelle: KNA, Dieter Mayr
29.04.2024 – EU-Osterweiterung vor 20 Jahren – am 1.Mai 2004

Der Maifeiertag ist auch „Europatag“

20 Jahre EU-Erweiterung: Ein Meilenstein für Europa. Renovabis-Hauptgeschäftsführer Thomas Schwartz betont die Bedeutung des Beitritts von acht Ländern Mittel- und Osteuropas zur EU. Dieser Schritt stärke den Zusammenhalt und fördere Frieden und Stabilität.

FREISING. „Der Beitritt von acht Ländern Mittel- und Osteuropas in die Europäische Union vor 20 Jahren war richtig“, urteilt Professor Thomas Schwartz, Hauptgeschäftsführer von Renovabis. Für das katholische Osteuropa-Hilfswerk Renovabis „war und ist das Zusammenwachsen Europas stets ein zentrales Ziel“. Dass dem Projekt Europa im Ganzen zwischenzeitlich im Westen „mehr Ernüchterung als Stolz“ galt, nimmt auch der Renovabis-Chef wahr, hält dies jedoch für falsch und sogar riskant. „Angesichts des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs auf die Ukraine kommt es mehr denn je darauf an, dass alle Staaten Europas sich zur Verteidigung ihrer Demokratie und Freiheit vereinigen“, so Schwartz.

„Jedem, der Lviv, Prag, Sarajevo oder Krakau besucht hat, wird deutlich, dass hier die gemeinsame europäische Kultur wurzelt und bis heute in voller Blüte steht“, erläutert Pfarrer Schwartz. „Wir gehören zusammen, blicken auf eine miteinander verwobene Geschichte und fußen auf gemeinsamen Werten.“ Die bisherige EU-Integration zeige, dass selbst zuvor verfeindete Nationen in Dialog kommen können, einander zuhören und unterschiedliche Sichtweisen bearbeiten oder aushalten, blickt der Renovabis-Leiter zurück. „Gerade die Kirchen haben in der Versöhnungs- und Dialogarbeit wichtige Beiträge geleistet. Ihr Einsatz wird dringend weiter gebraucht. Trotz Säkularisierungstendenzen in allen Teilen Europas können Christinnen und Christen hier einen zentralen Dienst für die Gesellschaften und unseren Kontinent leisten“, ist sich Schwartz sicher.

Die anfängliche „Europa-Euphorie“ der 1990er Jahre „habe möglichweise auch naive Züge“ gehabt, räumt der Renovabis-Chef ein. „Uns, die wir im Westen aufgewachsenen sind, ist viel zu wenig bewusst, was die fundamentalen Umbrüche nach dem Fall des Kommunismus für die Menschen im ehemaligen ‚Ostblock´ mit sich brachten.“ Bis heute seien die sozialen Verwerfungen durch die oft turbokapitalistische Wirtschaftstransformation, in der Folge entstandene korrupte und klientilistische Strukturen sowie die Prägungen durch die kommunistische Diktatur echte Herausforderungen. Dennoch warnt der Renovabis-Chef vor einer westlichen Arroganz: „Statt uns über die mittel- und osteuropäischen Staaten zu erheben, sollten wir wertschätzend anerkennen, was sie seit der Erringung der Freiheit aufgebaut haben.“ Bestehende Probleme müssten von einer gemeinsamen Verantwortung heraus konsequent und zum Wohl der Menschen angegangen werden. Renovabis habe seit 1993 ganz in diesem Sinne zur Erneuerung von Kirchen und Gesellschaften in 29 Ländern Mittel- und Osteuropas beigetragen. Bis heute wurden dabei mit rund 870 Millionen Euro mehr als 26.000 Projekte von Partnerorganisationen vor Ort unterstützt. Ein Schwerpunkt für Renovabis lag auf schulischen und beruflichen Aus- und Weiterbildungsprojekten, um den Menschen Lebens- und Bleibeperspektiven zu eröffnen.

Nach den letzten Erweiterungsrunden von 2007 um Rumänien und Bulgarien und 2013 um Kroatien müssten nach Ansicht von Pfarrer Schwartz weitere folgen: „Die Menschen in der Ukraine, der Republik Moldau, auf dem Westbalkan und im Südkaukasus setzen hohe Erwartungen in die Europäische Union. Wir dürfen diese nicht enttäuschen.“ Aus vielen Begegnungen mit Menschen in den Renovabis-Partnerländern wisse er, „wie sehr diese sich nach einer Zugehörigkeit zur europäischen Völker- und Friedensfamilie" sehnen. Sollten wir keine glaubhafte Perspektive bieten und eine schrittweise Integration anbieten können, drohe diesen Ländern eine massive Abwanderung. „Uns muss klar sein, wenn nicht die Länder der EU in absehbarer Zeit beitreten, tut dies deren Bevölkerung durch Zuzug in die EU-Länder“, zeigt Schwartz die Alternativen auf. In der Folge entstünden in der Nachbarschaft der Europäischem Union Instabilität, und der Einfluss von Russland und China würde dort wachsen.

Die Erweiterungsrunde vor 20 Jahren sei zwar ein historischer Schritt, jedoch auch nur ein Etappenziel gewesen, urteilt Schwartz: „Die Europäische Integration ist erst vollendet, wenn alle europäischen Länder, die dies wünschen, ihren Platz in der Europäischen Union haben.“ Dieses Ziel verdiene unser aller Anstrengungen. Denn nur dies biete Europa die Chance, auf die aktuellen Bedrohungen von Frieden, Freiheit und Demokratie zu reagieren sowie den Herausforderungen der sozial-ökologischen Umgestaltungen zu begegnen und dauerhafte Stabilität und Perspektiven für die Menschen zu schaffen.

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Inhalt erstellt: 29.04.2024, zuletzt geändert: 29.04.2024

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