Eine Krankenschwester der Caritas Moldova bringt die drigend benötigte Unterstützung direkt zu den Menschen nach Hause.
Quelle: Caritas Moldova
22.01.2025 – Nachgefragt bei Theresa Grabinger

„Alt und arm in der Republik Moldau“

Theresa Grabinger, die zuständige Länderreferentin für die Republik Moldau bei Renovabis, war 2024 zweimal auf Projektreisen im Land, zuletzt im Oktober. Dabei hat sie auch zwei Seniorenzentren besucht, die im Rahmen des Projekts „Soziomedizinische Unterstützung“ von Renovabis gefördert werden.

Wie haben Sie die Lage in der Republik Moldau wahrgenommen?

Theresa Grabinger: Die wirtschaftliche Situation in der Republik Moldau und dem de-facto unabhängigen Teil Transnistrien ist sehr schwierig. Das Land hat mit den Folgen mehrerer Krisen zu kämpfen - der Covid-Pandemie, mehreren Dürresommern und der Massenauswanderung. Durch den russischen Überfall auf die benachbarte Ukraine wurden viele Transportwege und Lieferketten abgeschnitten, was zu hoher Inflation geführt hat.

Welche Auswirkungen hat der Transitstopp von russischem Gas durch die Ukraine zum 1. Januar 2025?

Theresa Grabinger: Dieser Stopp hat massive Folgen für die Energieversorgung in der Republik Moldau - und vor allem im transnistrischen Landesteil. Dort gibt es aktuell mehrmals täglich mehrstündige Stromabschaltungen, die den Alltag sehr erschweren, denn ohne Strom funktionieren weder Heizung noch Wasserversorgung. Die Hoffnung ist, dass sich die transnistrische Regierung von der Regierung in Chişinău helfen lässt und ebenfalls den Gas- oder Stromlieferungen aus Rumänien zustimmen wird.

Von unserem Partner Caritas Moldova höre ich, dass sich die Situation für die älteren Menschen in unserem Projekt noch mehr verschlechtert hat. Die Renten waren schon im letzten Jahr nicht ausreichend, um sich irgendetwas leisten zu können, selbst für Basisprodukte reichte das Geld nicht. Jetzt, durch die gestiegenen Energiekosten, werden vermutlich auf kurze und mittlere Frist die Lebenshaltungskosten auch in anderen Bereichen weiter steigen.

Renovabis versucht durch das Kooperationsprojekt mit der Caritas Moldova die Not der Menschen zu lindern. Wo genau werden die Seniorinnen und Senioren soziomedizinisch unterstützt?

Theresa Grabinger: Es gibt vier Projektstandorte, wovon sich zwei auf transnistrischem Gebiet befinden. Die Caritas Moldova mit dem Sitz in der Hauptstadt Chişinău arbeitet bei der Umsetzung des Projekts mit lokalen Pfarreien zusammen.

Theresa Grabinger im Gespräch mit Pfr. Tadeusz Magierowski SCJ. Das Seniorenzentrum in Rîbnîţa ist an seine Pfarrei angeschlossen.
Quelle: Caritas Moldova
Zu Besuch beim offenen Treff im Seniorenzentrum in Rîbnîţa.
Quelle: Caritas Moldova

Nach welchen Kriterien werden die alten Menschen ausgewählt?

Theresa Grabinger: Grundsätzlich richtet sich das Projekt an Frauen und Männer im Rentenalter, die von sehr geringen Renten oder einem niedrigen monatlichen Einkommen leben, keine oder nur unzureichende familiäre soziale Unterstützung erhalten und zudem an chronischen Krankheiten, an Krebs, Demenz oder kardiovaskulären Erkrankungen leiden. Die Hilfe zielt darauf ab, den Seniorinnen und Senioren ein möglichst würdiges Leben zu ermöglichen. Die Caritas Moldova wendet ein festes Schema zur Auswahl der Frauen und Männer an, das an die regionalen Bedürfnisse an den vier Projektstandorten angepasst ist. Denn die Bedürfnisse der Menschen in der Hauptstadt unterscheiden sich von denen in einem kleinen abgeschnittenen Dorf in Transnistrien.

Welche Rolle spielt die Auswanderung in der fehlenden Unterstützung für die älteren Menschen?

Theresa Grabinger: Das ist ein großer Faktor. Die Republik Moldau ist ein klassisches Auswanderungsland, und viele der arbeitsfähigen Frauen und Männer sind ins Ausland gegangen. Wenn ältere Menschen zurückbleiben und es keine ausreichende staatliche Unterstützung gibt, sind sie auf die Hilfe von zivilgesellschaftlichen Organisationen wie der Caritas Moldova angewiesen.

Wie gestalten sich die Projekte vor Ort?

Theresa Grabinger: Ich habe zwei Zentren auf transnistrischem Gebiet besucht: eins in der Industriestadt Rîbnîţa und eins in einem kleinen Dorf Raşcov. In Rîbnîţa bietet das Seniorenzentrum einen offenen Tagestreff, den täglich 15 ältere Menschen besuchen. Dort erhalten sie soziale Unterstützung, Beratung und pädagogische Angebote, die Körper und Geist fit halten. 15 bettlägerige oder nicht-mobile Personen werden von den Pflegekräften zuhause besucht und betreut.
In Raşcov, bei dem es sich faktisch um ein weit verstreutes Dorf handelt, ist das Hilfsangebot eher auf mobile Pflege ausgerichtet. Hier kümmert sich die Caritas Moldova um alleinstehende alte Menschen, die keinerlei Unterstützung haben und ihre Häuser nicht mehr verlassen können. Das Pflegepersonal bringt Hilfe direkt zu ihnen nach Hause, was für viele den einzigen Kontakt nach außen bedeutet.

In kleinen Dörfern wie Raşcov in Transnistrien sind die älteren Menschen auf die mobile Pflege, die über die lokale Pfarrei organisiert ist, angewiesen.
Quelle: Theresa Grabinger
„Ältere Menschen fühlen sich oft alleingelassen. Wir schenken ihnen Aufmerksamkeit und Fürsorge". (Irina Noviţchii, Projektmanagerin der Caritas Moldova)
Quelle: Caritas Moldova

Was hat Sie besonders beeindruckt bei Ihrem Besuch?

Theresa Grabinger: Ich war besonders beeindruckt von den Krankenschwestern und Sozialarbeiterinnen: Sie betreuen alleinstehende, hilfsbedürftige Menschen, oft in größter Not. Die Projektmanagerin bezeichnete sie als ‚Superheldinnen‘, was sie wirklich sind. Sie sind jeden Tag mit den äußerst schwierigen privaten Lebensumständen der Begünstigten konfrontiert, und für Supervision stehen kaum Ressourcen zur Verfügung. Caritas Moldova bemüht sich, dies über häufige Treffen für Trainings und Koordination auszugleichen.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit der Caritas Moldova?

Theresa Grabinger: Die Zusammenarbeit besteht seit 30 Jahren und ist sehr vertrauensvoll und effektiv. Die Caritas Moldova arbeitet eng mit lokalen Partnern zusammen und passt die Hilfe flexibel an. Jedes Zentrum hat seine individuellen Angebote, die auf die Bedürfnisse der Menschen vor Ort abgestimmt sind. Das macht die Arbeit besonders wertvoll.

Frau Grabinger, herzlichen Dank für diese Einblicke.

Inhalt erstellt: 22.01.2025, zuletzt geändert: 30.01.2025

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