Papst Franziskus und Renovabis-Hauptgeschäftsführer Pfarrer Thomas Schwartz
Papst Franziskus und Renovabis-Hauptgeschäftsführer Pfarrer Thomas Schwartz
Quelle: Vatican Media
02.10.2024 – Kirche

Der Blog aus der Aula der Weltsynode - Schwartz auf Weiß

Renovabis-Hauptgeschäftsführer Pfarrer Thomas Schwartz schreibt in seinem Synoden-Blog für katholisch.de, wie er die Weltsynode in Rom erlebt. Dabei berichtet er von unterschiedlichen Herausforderungen, verschiedenen Perspektiven und den Diskussionen vor Ort.

Von einem "Vorfall" bei der Weltsynode und dem Schweigen der Kirche- Teil 6

Was mich als Teilnehmer der Weltsynode im Vatikan, der ja bekanntlich zwar ein eigener souveräner Staat ist, aber nur wenig größer als 40 Fußballfelder mitten in Rom und also in italienischen Gefilden liegt, wundert, ist die Tatsache, dass bislang die Organisation dieser Versammlung wie am Schnürchen funktioniert hat.

Für jeden gibt es in der Synodenaula ein eigenes Fach, in dem sich ebenso wichtige Informationen wie Postwurfsendungen finden. An jedem Platz gibt es ein funktionierendes Tablet, das alle jeweils aktuellen Tagesordnungspunkte und auch die offiziellen Beiträge des Sekretariats papierlos vorhält. Auch die eher leiblichen Bedürfnisse sind aufs Beste befriedigt – wenn man nicht wie zum Gedenken des 7. Oktober zum Gebet und zum Fasten aufruft. Der Transport zu den mitunter etwas weiter entfernten Unterkünften ist bestens organisiert. Auch die Simultan-Übersetzungen aller im Plenum gesprochenen Beiträge klappen prima. Wehmütig und demütig denke ich da an so manche deutsche Dysfunktionalität während der Fußball-Europameisterschaft oder bei anderen Gelegenheiten, auch wenn hier natürlich nur etwa 360 Menschen zusammenkommen. Aber man muss der Organisation einer solchen Veranstaltung schon einmal Respekt zollen.

Bei allem Lob der Logistik im Vatikan kam es gestern doch (endlich, denkt sich das leidgeprüfte deutsche Herz beinahe) zu einem "Vorfall".

Während der Generalversammlung in Anwesenheit des Papstes war der zum Kardinal ernannte englische Dominikaner Timothy Radcliffe zu einer geistlichen Einführung in das dritte Modul des "Instrumentum Laboris", also des Arbeitspapiers der Synode, ans Mikrofon getreten. Er deutete ausgehend von Mt 15,21-28 die Begegnung Jesu mit einer kanaanitischen Frau, wo es wörtlich heißt: "Jesus aber gab ihr keine Antwort" (Vers 23) dergestalt aus, dass in der Kirche das Schweigen ein wichtiger Schritt zu wichtigen Entscheidungen sei. Und genau in diesem Augenblick versagte die Übersetzungstechnik. Schweigen, Stille. Kein Mucks in der Synodenaula. Denn wenn auch viele Mitglieder der Synode Englisch sprechen, so ist es dennoch nicht unbedingt die Mehrheit. Man braucht die Übersetzungsarbeit, um verstehen zu können.

Und manchen wurde klar: Es braucht auch Übersetzungsarbeit für das, was auf dieser Synode geschieht. Es ist nicht allen einsichtig, ob und wie die Kirche sich bewegt, verändert. Viele verstehen nicht mehr, was in der Kirche passiert. Manche fühlen sich gerade vom Schweigen der Kirche zu Fragen, die ihr Leben als Christ und Christin betreffen, nicht angenommen, fühlen sich ausgegrenzt und wenden sich ab.

Als dann nach knapp fünf Minuten die Übersetzungstechnik wieder funktionierte, ging Radcliffe in geradezu prophetischer Ausdeutung genau darauf ein und machte zur Diskussion um die Rolle der Frau in der Kirche und eine wirkliche Gleichberechtigung in allen Bereichen auf den Mut der kanaanitischen Frau aufmerksam. Sie habe sich weder von der Ablehnung der Jünger noch vom Schweigen Jesu von ihrem Ziel abbringen lassen, für ihr krankes Kind Heilung zu erbitten. Manchmal sei das Schweigen der Kirche die Weise, wie sie im Umgang mit einem Thema, das auf den Nägeln brenne, nach vorne gehe, weil im Schweigen auch der Raum zum Suchen und Hören des Willens Gottes gegeben sei, so Radcliffe sinngemäß. Ich hoffe, ich habe ihn richtig verstanden.

Zuhören schlaucht! Wenn Synodale drauflosreden, ohne konkret zu werden - Teil 5

Manchmal ist so eine Synode ziemlich langweilig, schreibt Thomas Schwartz. Oft bekommt man Dinge zu hören, die der Redner vermutlich schon immer einmal sagen wollte. Dabei sollen gerade bei der Weltsynode Reformvorschläge konkret werden.

Eine synodale Generalversammlung kann mühsam, mitunter auch langweilig sein. Das ist besonders dann der Fall, wenn diejenigen, die bei den sogenannten "freien Interventionen", wo sich jeder Teilnehmer zu Wort melden kann, um einen Beitrag abzugeben, nicht an die Themen halten, die vorher vom Plenum in einer Abstimmung festgelegt worden sind.

Man bekommt dann manchmal Dinge zu hören, von denen man annehmen muss, dass sie der oder die Intervenierende schon lange einmal der Versammlung mitgeben wollte, bislang aber in der Rednerliste einfach noch nicht berücksichtigt werden konnte. Und dann wird munter drauflosgeredet ohne Rücksicht auf den vorgegebenen inhaltlichen Bezugspunkt. Das ermüdet und führt die Versammlung auch nicht wirklich weiter, denn es werden entweder lehrreiche Sermone oder gerne auch einmal spirituelle Besinnungsaufsätze verlesen. Beides soll aber eigentlich bei den Beiträgen während der Generalkongregationen vermieden werden. Darauf weist denn auch das Tagungspräsidium der Synode regelmäßig hin – mit mehr oder weniger Erfolg. Es wird jeweils eine Orientierungsfrage an das Plenum gestellt, zu deren Beantwortung ganz konkrete Vorschlage hören möchte, und zwar immer unter der Leitfrage, wie Synodalität in den verschiedenen Kontexten, über die man miteinander im Gespräch ist, umgesetzt und verwirklicht werden kann.

Forderung, konkret zu werden

Eine solche Einladung, ja Forderung zur Konkretion scheint man wohl bei einer Synode genauso erst lernen zu müssen, wie zuvor schon die Konversation im Geist als die Weise, aufeinander hörend und wertschätzend miteinander ins Gespräch zu kommen.

Woran das liegt, weiß ich auch nicht. Aber es könnte ja zumindest sein, dass in den letzten Jahrzehnten die Bischofssynoden sich oft genug darin genügten, Altbekanntes noch einmal neu und auf das jeweilige Thema der Synode bezogen, zu wiederholen. Wenn doch etwas Neues und gegebenenfalls Provozierendes gesagt wurde, wurde das schnell als nicht der Tradition entsprechend oder als nicht von einer Synode zu regeln vom Tisch gewischt. Das ist aber bei dieser Synode weder gewünscht noch sinnvoll. Denn es ist den meisten Teilnehmern klar, dass sich vieles in der Kirche ändern muss, wenn sie ihren Auftrag und ihre Sendung in einer sich immer schneller wandelnden Welt mit immer neuen Herausforderungen glaubwürdig erfüllen soll. Über das Faktum ist man sich einig. Aber es hakt an der Frage des "wie". Wenn man da keine Antworten hat, versucht man es eben manchmal mit frommen theologischen Meditationen und hofft vielleicht insgeheim, dass andere konkreter werden. Und ohne zu viel zu verraten: Immer, wenn das während der Freien Interventionen geschieht, wird dankbar Applaus gegeben.

Nach der ersten Synoden-Ernüchterung: Na also, es geht doch! - Teil 4

Offensichtlich ist das öffentliche Interesse an meinem Synoden-Blog deutlich größer, wenn ich darin Enttäuschung und Ernüchterung äußere, als dann, wenn dort meine Zufriedenheit oder gar Begeisterung zum Ausdruck kommen.
Heute werde ich also einige meiner Leserinnen und Leser enttäuschen, denn ich bin mal wieder ein wenig positiv überrascht worden. Und zwar von der Flexibilität des Synoden-Sekretariats.

Freie Interventionen der Teilnehmer

Denn eigentlich waren nach den Zwischenberichten der zehn eingesetzten Arbeitsgruppen keine weiteren Diskussionen mit den Teilnehmern der Synodenversammlung vorgesehen gewesen. Stattdessen hatte man am Freitag nach den kurzen Berichten der fünf offiziellen Sprachgruppen (zu denen bekanntlich deutsch nicht mehr gehört) den ganzen Tag freie Interventionen der Synodenteilnehmer zu vier ausgewählten Fragestellungen angesetzt. Das war mühsam und anstrengend und brachte leider nicht allzu viel Neues zutage, mitunter aber Kurioses, das ich aber aus bekannten Gründen nicht weiter ausbreiten werde.

Die Enttäuschung darüber, dass die Zwischenberichte der zehn Kommissionen nicht diskutiert werden sollten, blieb indes weiter spürbar. Das wird sich nun ändern. Nachdem sich viele Mitglieder der Synode mehr oder minder deutlich mit ihrem Unmut zu Wort gemeldet hatten, wurden das Plenum am Samstag morgen darum gebeten, ein Votum darüber abzugeben, wie bezüglich der Berichte zu verfahren sei. Mit großer Mehrheit wurde dafür votiert, sich darüber mit den Beteiligten der zehn Gruppen auszutauschen. Am 18. Oktober stehen dementsprechend die Sprecherinnen und Sprecher jener Arbeitskreise an verschiedenen Orten in der Nähe des Vatikans für Fragen und Gespräche zur Verfügung.

Dass diese Treffen nicht in der Synodenaula selbst stattfinden sollen, hat natürlich auch eine symbolische Bedeutung. Denn so will man vermeiden, dass es doch noch zu harten Diskussionen im Rahmen der Synode selbst kommt, die die Versammlung sprengen könnten. Gerade darum wurden die zehn Arbeitsgruppen ja Anfang dieses Jahres eingesetzt. Die Treffen sind also "Side-Events" der Synode, wichtig und gut, aber eben keine integralen Bestandteile der Bischofssynode.

Ich finde das in Ordnung. So wurde dem Willen der Mehrheit der Synodalen entsprochen ohne die programmatische Ausrichtung am Thema der Synodalität und ihrer Bedeutung für und in der Kirche zu verändern. "Gesichtswahrung" nennen das vielleicht die einen. Ich würde es als eine "Win-win-Situation"bezeichnen, also eine Konstellation, die für alle Beteiligten Vorteile bietet.

Gehobene Stimmung

In jedem Fall hat das die Stimmung in der Synodenaula und bei den Gesprächen in den Pausen deutlich gehoben.

Manche vermerkten sehr positiv, man sehe, dass sich das Synoden-Sekretariat ernsthaft darum bemühen würde, nicht unbedingt alles bei der Versammlung gemäß einer vorgegebenen Regieanweisung ablaufen zu lassen. Vielmehr sehe man die Offenheit, neu entstehenden Situationen mit einer "kreativen Weisheit" zu begegnen, wie es mir ein Teilnehmer augenzwinkernd formuliert hat. Na also, es geht doch!

Was nehme ich daraus mit? Es geht bei dieser Bischofssynode nicht nur um ein gutes Erwartungsmanagement, sondern auch um ein gutes Beschwerdemanagement. Beides ist nur erfolgreich, wenn man von einem guten Geist getragen ist. Den nenne ich gerne einmal "heilig".

Was war das jetzt? Ernüchterung statt Begeisterung in der Synodenaula - Teil 3

In meinem letzten Blog berichtete ich von der Begeisterung, die mich und viele andere Synodenteilnehmer während der Einkehrtage erfüllte. Die Begeisterung ist nach zwei weiteren Tagen einer gewissen Ernüchterung gewichen. Das war zu erwarten gewesen. Dass das aber so schnell gehen würde und dass bei diesem "Ausnüchterungsprozess" sogar Entgeisterung und Ärger am Anfang standen, hat dann doch auch mich "hoffnungslosen" Optimisten überrascht.

Diese Überraschung begann mit der Darstellung der Zwischenberichte der Arbeitsgruppen. Ich war sehr neugierig und habe mich wirklich darauf gefreut. Was dann aber "geliefert" wurde, fand ich, gelinde gesagt: enttäuschend!

Zwischenstand? Eher enttäuschend

Schöne Filmchen mit herrlichen Landschaften, hübschen Blumen, lachenden Gesichtern, betenden Menschen, alles sehr professionell gemacht, verbunden mit einer Vorstellung der Mitarbeitenden der jeweiligen Gruppe sind nett, sind aber eben keine Berichte, noch nicht einmal Zwischenberichte.

Aber es gibt ja auch noch Berichterstatter. Da kommt sicher noch etwas, dachte ich. Nur was dann kam, hatte ich nicht so erwartet. Einer der Relatoren teilt mit, dass die Arbeit seiner Gruppe an der Synode vorbei direkt mit einem römischen Dikasterium abgewickelt werde. Das wirkt auf jemanden, dem "berichtet" werden soll, nicht unbedingt zufriedenstellend. Manche Berichte anderer Berichterstatter haben darüber hinaus bei mir Anlass zur Vermutung gegeben, dass man hier gar keinen Zwischenstand mitgeteilt bekommen konnte, weil viele Gruppen ihre Arbeit noch gar nicht richtig begonnen haben. Das wäre zwar bedauerlich, aber kann ja noch besser werden.

Aber als dann schließlich hinsichtlich der Frage des Diakonats der Frau der zuständige Leiter des Dikasteriums verkündete, dass der Heilige Vater eigentlich schon klargemacht habe, dass es hierzu auf absehbare Zeit keine Entscheidung geben werde, ja sogar in dieser Frage bald ein offizielles Dokument des Glaubensdikasterium zu erwarten sei, fühlte ich mich schon irgendwie wie ein begossener Pudel. Denn dann braucht es ja auch keine Arbeitsgruppe zu diesem Thema. Als Teilnehmer einer Versammlung, die das Prinzip der Synodalität verwirklichen soll und den Auftrag hat, die Synodalität tiefer in alle Bereiche des kirchlichen Lebens zu implementieren, habe ich hier schon ein anderes Procedere erwartet. Und ich gebe zu: Ich war ziemlich angefressen – und zwar sowohl inhaltlich wie von der Art und Weise des Umgangs mit der Synodenversammlung.

Tröstlich fand ich es zumindest, dass ich mit dieser Gefühlslage nicht allein war. Das habe ich am nächsten Tag, als sich die sogenannten "Circoli Minori" an den runden Tischen zu ihren ersten Arbeitstreffen zusammenfinden, in manchen Pausengesprächen erfahren dürfen.

Auseinandersetzung wird von allen begrüßt

Überall wurde betont, dass die Diskussion über die unverzichtbare Rolle der Frau in der Kirche intensiv weitergeführt werden müsse. Und ich habe den Eindruck, dass viele in der Aula merken, dass man sich mit einem Festschreiben des Status quo durchaus dem Vorwurf einer männerzentrierten und reduktionistischen Anthropologie aussetzt. Deswegen wird auch von jenen, die gegen eine Teilhabe von Frauen am geweihten Dienstamt starke Vorbehalte hegen oder komplett dagegen sind, dennoch eine ernsthafte und theologisch fundierte Auseinandersetzung zu dieser Frage gutgeheißen. Immerhin.

In jedem Fall bemerke ich nicht nur in dieser Frage die Ernsthaftigkeit, mit denen zahlreiche Synodenteilnehmer sich in die Situation des Gegenüber hineinzudenken versuchen. Das bedeutet nicht, dass sie seine Vorstellungen und Überzeugungen übernehmen. Aber sie lassen sie gelten. Das stimmt mich dann doch wieder versöhnlicher und ein wenig hoffnungsvoll für die weiteren Wochen.

Ich bin jetzt also doch wieder auf die Berichte der Sprachgruppen gespannt, die an diesem Freitag angesetzt sind. Dabei kann ein nüchterner Realismus hilfreich sein. Denn die Fallhöhe meines Enttäuschungspotentials ist nicht mehr gar so hoch. Das ist doch auch schon etwas.

Synoden-Einkehrtage: Kein lautes Wort, kein Vorwurf der Häresie - Teil 2

Die zwei Einkehrtage sind vorüber. Sie sollten keine Vorbereitung auf die Synode, sondern integraler Teil der synodalen Versammlung sein, denn sie verdeutlichen noch einmal, dass es bei der Synodalität um ein geistliches Geschehen betender Menschen geht. Andernfalls wären wir hier "eine Hauptversammlung von Glaubensunternehmern", wie es der Generalsekretär der Synode, Kardinal Grech, am ersten Tag ausgedrückt hat.

Das war ein starkes Bild. Aber ebenfalls stark war das Bild des Netzes mit den vielen Fischen, das nicht zerreißen darf. Dieses Bild wählte der Dominikaner Timothy Radcliffe am Dienstag zur Frage, wie wir in einer global gewordenen Kirche die unterschiedlichen Kulturen, die uns mit ihren Wertvorstellungen und anthropologischen Narrativen prägen, zusammenführen können, oder besser: wie bei aller kulturellen Unterschiedlichkeit die Einheit der Kirche bewahrt werden kann. Darüber haben wir auch am ersten Tag schon gesprochen: Unterschiedliche Kulturen machen das gegenseitige Verständnis nicht einfacher. Das zeigte sich an zwei ganz konkreten Themen, die in unterschiedlichen kulturellen Kontexten jeweils völlig verschiedene Reaktionen hervorrufen: Polygamie und Homosexualität. Was in einem afrikanisch geprägten Kulturraum als wertvoll und zutiefst menschlich angesehen werde, stoße in einem westeuropäisch-nordamerikanischen Kontext auf völliges Unverständnis und auf energische Ablehnung. Und analog gelte umgekehrt. Verantwortlich seien dafür nicht ideologische Frontstellungen, sondern kulturelle und anthropologische Unterschiede, die man wahrnehmen und denen man sich stellen müsse.

Ich muss sagen: Selten habe ich über solche auch bei uns mitunter sehr kontrovers diskutierten Themen so geschwisterlich, wertschätzend und gut sprechen können. Kein lautes Wort, kein Vorwurf der Häresie, sondern dankbares Erfahren, dass man sich die Unterschiede beschreiben kann, ohne sie wegzureden, ohne sie erklären und klären zu müssen und ohne die zelotische Absicht, den anderen unbedingt von der eigenen Position überzeugen zu wollen. Wenn Synodalität auch darin besteht, so aufeinander zu hören, dann habe ich Montag und gestern beim "Gespräch im Heiligen Geist" wirklich diesen Geist spüren dürfen, der Unterschiedliches gelten lässt und das Gegenüber auch dann als Bruder und Schwester im Glauben respektiert, wenn man ganz anderer Meinung ist. Die große Frage wird sein, wie aus der Erfahrung solcher Gespräche wirklich ein Schlussdokument entstehen kann, dass diesen "geschwisterlichen Spannungsbogen", wie ich es nennen würde, aufrecht hält und zu einer tragfähigen Brücke zwischen den Kulturen in unserer einen Kirche führt.

Nächste Synoden-Etappe: Alles andere als "leichtes Gepäck" - Teil 1

Am Samstagabend bin ich in Rom angekommen. Für die kommenden vier Wochen werde ich wieder in einer Sondersituation leben, die recht wenig mit dem zu tun, was sonst meinen Alltag prägt. Mit Hunderten von Bischöfen und Kardinälen, etlichen anderen Synodenteilnehmerinnen und -teilnehmern, theologischen Beraterinnen und Beratern, immer begleitet von einer doch noch interessierten Öffentlichkeit werden wir wie im vergangenen Jahr wieder an runden Tischen sitzen, einander zuhören, viel miteinander sprechen, um konkrete Formulierungen bei der Abfassung unserer jeweiligen Berichte ringen und daneben auch noch ein ziemlich dichtes und anspruchsvolles Programm mit diversen anderen Treffen und Veranstaltungen absolvieren. Diese Wochen werden für keinen der Teilnehmenden ein Zuckerschlecken sein, sondern harte Arbeit.

Man glaubt übrigens gar nicht, was man alles mitnimmt, wenn man vier Wochen unterwegs ist! "Leichtes Gepäck" sieht anders aus! Ich habe nicht nur an Koffern und Rücksäcken mit Kleidung, Waschzeug und allem, was man sonst noch braucht oder zu brauchen meint, zu schleppen. Auch ein paar Aktentaschen mit den Unterlagen für die Synode müssen mit. Auch wenn mittlerweile vieles digital zugänglich ist, habe ich eben doch noch das ein oder andere Dokument in Papierform eingepackt, in das ich etwas hineingeschrieben, worin ich etwas markiert habe und das ich gerne ohne großes Suchen gleich zur Hand haben möchte.

Neben diesem physischen Gepäck bringe ich aber noch vieles mehr zu dieser letzten Etappe der Weltsynode nach Rom mit. Das sind die Erfahrungen der vergangenen Jahre: die Erinnerungen an die Verhandlungen der kontinentalen Zusammenkunft in Prag und das, was wir im vergangenen Jahr im Oktober bereits erlebt haben. Es sind die "Gespräche im Heiligen Geist", die nicht nur die Atmosphäre in der Synodenaula geprägt haben, sondern mir und vielen anderen einen Weg gezeigt haben, wie man in der Kirche und vielleicht auch darüber hinaus wertschätzend und nicht sofort konfrontativ auch mit divergierenden Meinungen und Positionen umgehen kann.

Werden wir in den kommenden Wochen zu all diesen Fragen Antworten finden?

Hinzu kommt das, was wir in Deutschland in den vergangenen Jahren mit dem Synodalen Weg angestoßen und thematisiert haben. Das kann ich nicht einfach zu Hause lassen. Denn wir Deutsche werden von vielen Mitgliedern der Synode immer wieder darauf angesprochen. Neugierde ist zu spüren, aber auch große Sorge, auch viel Skepsis. Hier gilt es, mutig das Gespräch zu suchen und jedem Rede und Antwort zu stehen. Nur so können Verständnis wachsen und Ressentiments abgebaut werden.

Und schließlich nehme ich auch die Hoffnungen und Erwartungen, aber auch die Ängste vieler Menschen mit nach Rom, die uns Teilnehmenden der Synode geschrieben und sich in der Öffentlichkeit zu Wort gemeldet haben. Viele fordern uns auf, keine Maulkörbe zu akzeptieren, sondern mutig die "heißen Eisen" anzupacken und kein Blatt vor den Mund zu nehmen, wenn es beispielsweise um die Rechte der Frauen und ihre Zulassung zu Weiheämtern in der Kirche geht. Andere hingegen fordern von uns genau das Gegenteil: nicht dem "woken Mainstream der schleichenden Protestantisierung des Katholischen" nachzugeben, wie es in einem Schreiben an mich formuliert gewesen ist. Ähnlich unterschiedliche Erwartungen wurden an uns auch im Blick auf Menschen formuliert, die sich von der Kirche marginalisiert und in ihren Lebensentwürfen diskriminiert fühlen: Da appellieren die einen, uns stark zu machen für die Akzeptanz queerer Menschen in der Kirche, die anderen ermahnen uns, die Morallehre der Kirche nicht zu verraten, sondern auch weiterhin "Sünde zu nennen, was Sünde sei". Auch bei der Frage echter Teilhabe aller bei Entscheidungsprozessen in der Kirche gehen die Erwartungen an die Synodenteilnehmer auseinander. Man müsse hier die Strukturen der Kirche endlich demokratisieren und vielleicht darüber nachdenken, auch Ämter nur auf Zeit zu übertragen. Denn nur so sei man vor klerikalistischem Machtmissbrauch und hinsichtlich des Verbrechens des sexualisierten Missbrauchs und seiner jahrzehntelangen systematischen Vertuschung in der Lage, glaubwürdige Präventions- und Sanktionsmechanismen zu entwickeln. Dagegen betonen andere, dass die Sakramentalität des Dienstamtes und auch die hierarchische Struktur der Kirche gerade zum Proprium des Katholischen zählten und man darum das Übel des Klerikalismus und die verbrecherische Wunde des Missbrauchs in der Kirche anders bekämpfen müsse als durch reines Schielen auf Strukturen, was schließlich auch nur wieder eine Frage der Macht sei – wir kennen ja all diese Diskussionen zur Genüge.

Um ehrlich zu sein. Von der Fülle der Erwartungen und Forderungen, die an uns als Teilnehmende und an diese Synode als solcher herangetragen werden, fühle ich mich fast überfordert. Aber sei's drum: All das habe ich mit nach Rom zur Synode mitgebracht. Ich konnte es nicht daheimlassen. Es sind die Themen, die das Leben der Kirche nicht nur bei uns, sondern weltweit seit Jahren prägen und uns auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten auf den Fingern brennen werden.

Werden wir in den kommenden Wochen zu all diesen Fragen Antworten finden? Ich bezweifle das. Und ich glaube, die Verantwortlichen der Synode hatten diese Zweifel ebenfalls, als sie die zehn Arbeitsgruppen einsetzten, deren Zwischenberichte wir während der Synode erhalten werde. Zu groß war wohl die Sorge, dass an der Behandlung einzelner "heißer" Themen die ganze Versammlung zerbrechen könnte und damit das eigentliche Anliegen der Synode, nämlich für die kommenden Jahrzehnte den Rahmen für die Entscheidungsfindung in einer global gewordenen und diversen Kirche abzustecken, verloren gehen könnte.

Ich denke aber, wenn wir weltkirchlich und im Konsens die Punkte beschließen, die im "Instrumentum Laboris" benannt werden, dann war diese synodale Versammlung wirklich erfolgreich. Dazu gehören für mich Transparenz, Rechenschaftspflicht auf allen Ebenen kirchlicher Entscheidungen, echte Beteiligung und Mitverantwortung der Laien – Männer und (!) Frauen – beim Zustandekommen von Entscheidungen in der Kirche, den Kampf gegen einen selbstreferenziellen Klerikalismus, ernsthaftes Bemühen um eine Veränderung der Priesterausbildung, Offenheit für neue Ämter auch für Frauen, glaubwürdiges Bemühen, niemanden mehr auszugrenzen, ein vertieftes ökumenisches Zeugnisgeben und vor allem ein neues – katholisches – Verständnis von Synodalität im Sinne eines geistlichen Miteinanders aller Getaufter statt eines Gegenüber von Laien und Klerikern und eines vertieften Bewusstseins, dass jedes Amt in der Kirche zuerst und vor allem Dienst und nicht Privileg ist.

Und bei all diesen Themen können wir aus unseren konkreten deutschen Erfahrungen sehr viel einbringen. Denn über viele dieser Fragen wurde und wird in Deutschland seit Jahren sehr intensiv nachgedacht. Ob das allerdings reicht, um die Erwartungen, die viele unserer Gläubigen im Vorfeld dieser Synode formuliert haben, zu erfüllen, weiß ich nicht. Aber ich bin davon überzeugt: Gottes Geist hat einen langen Atem.

Inhalt erstellt: 02.10.2024, zuletzt geändert: 14.10.2024

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