Vor 80 Jahren begann der 2. Weltkrieg mit dem deutschen Überfall auf Polen. (Lesen Sie dazu unseren Beitrag.) Mit dem Briefwechsel der polnischen und deutschen Bischöfe vor 60 Jahren setzten zunächst zaghafte Versuche einer Aufarbeitung dieses dunkelsten Kapitels der Beziehungen beider Länder ein.
Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs vor 30 Jahren konnten Deutsche und Polen erstmals frei, umfassend, multiperspektivisch und auf verschiedenen Ebenen in Kirche, Gesellschaft und Wissenschaft die Aufarbeitung der Geschichte fortsetzen. Trotz dieser umfangreichen Versuche zur Aufarbeitung heute sehen wir in Polen Bestrebungen, die Geschichte zu renationalisieren. Es gibt Forderungen nach Reparationszahlungen und einen lebhaften Diskurs um die Planungen für ein Denkmal für die polnischen Opfer des Zweiten Weltkrieges in Berlin.
Wie werden die aktuellen aktuellen Debatten bewertet?
Dr. Maria-Luise Schneider
Dr. Maria-Luise Schneider ist stellv. Direktorin der Katholischen Akademie in Berlin e.V. und Mitglied des Aktionsrates von Renovabis.
Zum 20. Mal findet die deutsch-polnische Ferienakademie statt - wie reagieren Studierende beider Länder auf den doch etwas angespannten deutsch-polnischen Diskurs?
Wo sehen Sie die deutsch-polnischen Beziehungen in 10 Jahren?
Katarzyna Nowak und Agniezka Pawnik
Katarzyna Nowak (links) und Agniezka Pawnik (rechts), Studierende aus Polen, haben an der XX. Deutsch-Polnischen Ferienakademie in der Katholische Akademie in Berlin teilgenommen. Ihre Antworten auf ihre allgemeine Einschätzung der Debatte und ihren Ausblick in die Zukunft werden im Video übersetzt.
Prof. Włodzimierz Borodziej
Prof. Włodzimierz Borodziej ist Professor für Zeitgeschichte an der Universität Warschau.
Bewertung der aktuellen Debatten
- Prof. Włodzimierz Borodziej:
- „Die Forderungen nach Reparationen machen keinen Sinn. Sie sind völkerrechtlich nicht durchsetzbar. Das polnische Hauptargument, Polen habe unter Zwang auf diese Reparationen verzichtet, ist völlig widersinnig. Die französische Regierung, als sie den Frieden mit dem Deutschen Reich 1871 unterzeichnen musste, handelte auch unter Zwang, sonst wären die Preussen in Frankreich geblieben. Die deutsche Regierung, als sie Versailles unterzeichnete, 1919, stand auch unter Zwang, sonst wären die französischen Truppen in Deutschland einmarschiert. Es ist im Völkerrecht kein Maßstab, ob eine Vereinbarung zwischen zwei völkerrechtlichen Subjekten unter Zwang zustande kommt oder nicht. Wichtig ist, dass sie anerkannt werden.
Die Frage nach dem Denkmal für die polnischen Opfer - darüber kann man diskutieren. Ich würde es eher in Form eines Dokumentationszentrums sehen, so ähnlich wie die „Topographie des Terrors", das scheint mir sinnvoller und für die Gesellschaft und Touristen interessanter. Ich glaube, wir sind einen ganz langen Weg gegangen seit '45 und seit '89 und wir werden nie am Ziel angekommen sein. Es gibt keine Finalität unserer bilateralen Beziehungen.“
Wo sehen Sie die deutsch-polnischen Beziehungen in 10 Jahren?
Dr. Gerhard Albert
Dr. Gerhard Albert, Historiker, war von 1996-2018 Geschäftsführer von Renovabis.
Die Kirchen beider Länder haben sich seit Ende des Zweiten Weltkriegs mit zahlreichen Initiativen gemeinsam für eine Verständigung und Versöhnung eingesetzt. Angesichts der politischen Verschiebungen in Polen verändern sich die Beziehungen: Wo liegen die aktuellen Herausforderungen im Dialog der Kirchen untereinander?
Wo sehen Sie die deutsch-polnischen Beziehungen in 10 Jahren?
- Dr. Gerhard Albert:
- „Ich sehe sie weiterhin in einer Nachbarschaft. Die Nachbarschaft ist ein ziemlich konstantes Verhältnis und eine Nachbarschaft kann man, das wissen wir aus dem privaten Leben, gut pflegen oder man kann sie vernachlässigen mit unangenehmen Konsequenzen. Ich glaube, das will auf die Dauer niemand. Ich sehe da keine so großen Unterschiede zu heute."