Quelle: Markus Nowak
Ottó Kalányos - „Pap Bácsi“
Ottó Kalányos' Lachen ist laut und ansteckend. Mit einem breiten Grinsen erzählt er, wie gerne er in seiner Freizeit das Videospiel FIFA spielt – oder „echten“ Fußball. „Verteidigung, Stürmer, Torwart – auf allen Positionen fühle ich mich wohl.“ Sein Lachen lässt nicht nach, als er erzählt, wie aufgeregt er war, als er im rumänischen Dorf Sâncrăieni in der Kirche der Heiligen und Märtyrer als neuer Priester vorgestellt wurde. „Da war ich nervöser als bei meiner Primiz!“ Erneutes Lachen.
Ottó Kalányos hatte einen schweren Start ins Leben: Als Neugeborener wurde er von seiner Mutter im Krankenhaus ausgesetzt – für die Ärzte war es ein Wunder, dass er überlebte. Die Berufung zum Priestertum habe er schon als Kind in seiner Adoptivfamilie im ungarischsprachigen Szeklerland (einem Teil Siebenbürgens) gefühlt, sagt er. Ottó ist gebürtiger Rom. Schon in der Grundschule wurde er diskriminiert, erzählt er: Man habe ihm gesagt, dass es noch nie einen „Zigeunerpriester“ gegeben habe – und dass auch er es nicht schaffen würde.
Dennoch wollte er seine Herkunft als Rom nicht verleugnen, auch wenn es ihm nicht immer leicht fiel, sich damit auseinanderzusetzen. Während seiner Priesterausbildung wurde ihm klar, dass es für ihn wichtig sei, seine Wurzeln anzuerkennen. Seit 2020 ist er als Priester in gleich acht Dörfern Seelsorger für die Roma-Minderheit. Ottó erzählt, wie er die etwa 500 Roma-Familien besucht hat, um sich vorzustellen. Als „Pap Bácsi“ wird er heute von seinen Gemeindemitgliedern bezeichnet, was so etwas wie „Onkel Priester“ bedeutet.
Voller Stolz berichtet er, dass er in den vergangenen vier Jahren 200 Kinder getauft hat. 57 empfingen bei ihm die Erstkommunion und 33 junge Menschen wurden durch ihn gefirmt – und das, obwohl es in der Region noch keinen regelmäßigen und gesonderten „Roma-Gottesdienst“ gibt. Ein Netzwerk aus 30 Freiwilligen unterstützt ihn bei seiner Arbeit, die nicht selten herausfordernd, vor allem aber sehr erfüllend sei. „Menschenwürde zeigt sich für mich am deutlichsten in der Demut und in der Fähigkeit, anderen zu dienen“, erklärt er – und ist sich dabei bewusst, dass er als „Pap Bácsi“ ein Vorbild ist. „Wenn die Menschen sehen, was sie mit Bildung erreichen können, dann wissen sie, dass sie es auch schaffen können .“
Leben und Arbeiten mit Handicap: Loránt Péter
In der einen Ecke summt gleichmäßig eine Maschine, während in der anderen die große Trommel eine neue Ladung Wäsche durchwirbelt. Es ist warm und dampft, die Luft riecht nach frischer Seife und Waschmittel. Mittendrin steht Loránt Péter und faltet konzentriert Bettwäsche. Der Arbeitsplatz des 30-Jährigen befindet sich im Keller der Casa Jakab Antal, eines Bildungs- und Pilgerheims der Caritas im rumänischen Miercurea Ciuc, im Deutschen auch Szeklerburg genannt.
„Lori“, wie Loránt liebevoll von seinen Kollegen genannt wird, arbeitet hier in der Wäscherei – halbtags, mehr lassen seine Behinderungen nicht zu. Der stets gutgelaunte Mann wurde mit einem Hüftproblem geboren, hat zudem ein verkürztes Bein und musste schon oft Diskriminierungen ertragen. Im Kinderheim aufgewachsen, erlebte er später eine Zeit der Obdachlosigkeit und war auf sich allein gestellt. Er versuchte sich in verschiedenen Berufen – von der Arbeit in einer Holzwerkstatt bis hin zur Landwirtschaft. Doch die körperlichen Belastungen und das fehlende Verständnis seiner Arbeitgeber sorgten dafür, dass diese Tätigkeiten in schmerzhaften Niederlagen endeten. Auch Demütigungen auf der Straße – angestarrt oder gar angespuckt zu werden – gehören zu seinen Erinnerungen an diese Zeit.
Doch zwischen Waschmaschinen und dampfender Wäsche hat Lori seinen Platz gefunden. „Hier werde ich akzeptiert, so wie ich bin“, sagt er. Die Arbeit und die Gemeinschaft tun ihm gut, gerade auch, weil sie ihm eine Tagesroutine geben, fügt er hinzu, während er den nächsten Stapel Wäsche sorgfältig faltet. „Ich bin stolz darauf, wo ich jetzt bin“, sagt der 30-Jährige.
Stolz ist er auch auf seine Band, in der er ein Schlaginstrument spielt. „Gute Geschichten“ nennt sie sich übersetzt, und kürzlich haben sie einen Benefizsong aufgenommen. Kein Wunder, dass Loris Träume eng mit der Musik verbunden sind. Gerne würde er an einer Castingshow teilnehmen und den Hauptpreis spenden: an Menschen in Not.
Konkreter sind seine Zukunftspläne für den Alltag. „Ich möchte hier so lange arbeiten, wie meine Beine es zulassen“, sagt er. Aber auch ein neues Abenteuer reizt ihn: im Jakab-Antal-Haus zu kellnern. „Ich finde es wichtig, dass die Gäste sehen, dass auch Menschen mit Behinderungen ‚normal‘ arbeiten können.“ Mit seiner Geschichte zeigt Lori, dass Menschenwürde nicht nur ein abstrakter Begriff ist. Es ist die Erfahrung, gesehen und geschätzt zu werden.