Die Darstellung des Heiligen Nikolaus hat im Laufe der Geschichte einige Wandlungen durchlaufen. Oft wird seine Darstellung mit der des Weihnachtsmannes, der von der amerikanischen Werbeindustrie erdacht wurde, vermischt oder gar verwechselt. Die Herkunft des Heiligen Nikolaus ist komplexer. Im Mittelalter verwoben sich die Geschichten des Bischofs Nikolaus von Myra, der im 4. Jahrhundert in der heutigen Türkei lebte, mit denen des Abts Nikolaus von Pinora aus dem 6. Jahrhundert. Nikolaus von Myra wurde bekannt für seine Großzügigkeit und die Hilfe, die er Bedürftigen zukommen ließ, während der Abt Nikolaus für seine asketische Lebensweise und Spiritualität verehrt wurde. Diese zwei historischen Figuren verschmolzen im Laufe der Zeit zu einem Heiligen, der für gelebte Nächstenliebe und göttliche Nähe steht. Aus diesem doppelten Erbe entstand ein "Hyperhagios", ein Über-Heiliger, der vor allem in der Ostkirche bis heute eine außergewöhnliche Stellung innehat.
Eine moderne Darstellung, die uns zu den Wurzeln des Heiligen Nikolaus führt, ist diese Ikone aus Prešov in der Slowakei. Auf ihr wird Nikolaus nicht mit Mitra und Bischofsstab abgebildet, sondern in einem schlichten Gewand. Das Gesicht des Nikolaus ähnelt der Darstellung von Christus – er hält das Evangelienbuch in der linken Hand, während die rechte in einer segnenden Geste erhoben ist. Diese Darstellungsweise betont: Nikolaus ist weit mehr als nur ein heiliger Mann, er wird selbst zu einem Zeichen der Gegenwart Christi.
Die Ikone zeigt acht Szenen aus Nikolaus’ Leben. Wir sehen ihn, wie er zum Priester geweiht wird, als Fürsprecher für Unschuldige, als Retter der Gefangenen und als engagierten Seelsorger, der für Arme und Kranke sorgt. Nikolaus wird auch als Schutzpatron der Seeleute dargestellt, der ihnen in Seenot beisteht, und als Verteidiger der Gerechtigkeit, der Hinrichtungen Unschuldiger verhindert. Besonders beeindruckend ist die Geschichte eines Kindes, das durch seine Fürsprache von seinen Entführern befreit wurde – eine deutliche Botschaft über die Kraft der Hoffnung. Schließlich stirbt Nikolaus, mit den Worten auf den Lippen, die auch Jesus gesprochen hat: „Herr, in deine Hände lege ich meinen Geist.“
Diese Erzählungen mögen legendenhaft wirken, doch sie tragen eine tiefere Wahrheit in sich. Sie zeigen einen Menschen, der mutig die Würde des Einzelnen verteidigt, der sich mit ganzem Herzen für Gerechtigkeit und das Wohl der Schwachen einsetzt – Tugenden, die auch heute inspirieren.
Die Botschaft des Nikolaus bleibt aktuell, ja sogar dringlich: Wir sollten uns um die kümmern, die Schutz und Hilfe benötigen – sei es, weil sie vor Kriegen fliehen mussten, von Hunger betroffen sind oder unter moderner Sklaverei leiden. Nikolaus zeigt uns, dass es stets Raum gibt, Gutes zu tun, die Not anderer zu sehen und sich mutig für sie einzusetzen. In Zeiten großer Not, wie sie auch heute vielerorts herrscht, ruft er uns auf, wie der Prophet Jesaja zu sagen: „Hier bin ich, sende mich!“ – bereit, Gutes zu tun und selbst aktiv zu werden, um die Welt ein Stück menschlicher zu machen.